Die psychologische Trickliste der FPÖ
Wir sehen uns alle mit Bedrohungen konfrontiert: Kriege, Klimakrise, Pandemien, Wohlstandsverlust, Bevölkerungswandel. Mit unseren Enttäuschungen, Ängsten und mit unserer Wut fertig zu werden, ist eine große Herausforderung. Die Politik kann versuchen, Lösungsvorschläge für die zugrunde liegende Probleme zu erarbeiten, oder sie kann diese Gefühle schüren und gegen zwei Arten von „Feinden“ richten, gegen „die da oben“ oder gegen „die Fremden unten“. Welche Weg gehen rechtsextreme Parteien wie die FPÖ?
1./ Das Kleinreden der realen Probleme: Vieles werde uns bloß eingeredet, zum Vorteil von Profiteuren, von anderen Parteien. So sei der Klimawandel gar kein großes Problem, und wenn doch, dann sei er nicht menschengemacht, und wenn doch, dann könne ein kleines Land eh nichts dagegen tun.
2./ Die „Personalisierung“ der Probleme: Die Aufmerksamkeit wird von den Verhältnissen auf Personengruppen und Einzelpersonen umgelenkt, die für Zustände und unsere Ängste verantwortlich sind. So würden „die Globalisten“ auf internationaler Ebene die Fäden ziehen, in der EU die „selbstherrlichen Eliten“.
3./ Die Verspottung dieser Personen: Der Respekt vor diesen Personen, denen gegenüber wir uns machtlos fühlen, an die wir nicht heranreichen, die wir beneiden, wird uns genommen, indem sie lächerlich gemacht, bloßgestellt werden. So beschimpfte der EU-Abgeordnete Harald Vilimsky die Kommissionspräsidentin Van der Leyen, die Parlamentspräsidentin Metsola und die EZB-Präsidentin Lagarde als „Hexentrio“ und „Gruselkabinett“. Man werde sie „die Peitsche spüren lassen.“
4./ Insbesondere durch (Body-)Shaming: Es wird auf körperliche Gebrechen, geistige oder moralische Schwächen verwiesen, deren Aufdeckung an uns selbst wir alle fürchten und zu verbergen suchen. So wird z.B. der Bundespräsident als „senile Mumie in der Hofburg“ bezeichnet (die schlimmsten Beschimpfungen finden sich unter https://www.demokratieundrespekt.at/downloads/kickls-weltbild-in-zitaten/)
5./ Entlastung von der Angst vor eigener Minderwertigkeit: Das Gelächter über Verspottete befreit zwar nicht von der Angst, auch blamiert werden zu können, es entlastet aber kurzfristig (solange wir davonkommen und nicht selbst ins Visier der Spötter geraten).
6./ Vergnügen an „Gemeinheit“: Es macht Vergnügen, in einer Gemeinschaft enthemmt mitzulachen, von schlechtem Gewissen über die eigenen negativen Gefühle und Aggressionen befreit. Der Zusammenhalt im Negativen ist jedoch brüchig.
7./ Versprechen der „Erlösung“: Zur Erlösung von der Angst braucht es auch eine positive Perspektive. Versprochen wird uns, einen Verlust zurückzugewinnen. Und Kickl bezeichnet öfter de FPÖ als „Erlösung“ für Österreich und sich als „Erlöser“.
8./ In-Aussicht-Stellen von „Identität“: Das Verlorene, uns Genommene, das ist unsere „Identität“. „Jemand zu sein“, Identität ist eigentlich etwas Positives, das Selbstachtung, das Selbstbewusstsein erlaubt, einer Gruppe (oder mehreren) zuzugehören, ohne die Individualität preiszugeben.
9./ Verengung der „Identität“ auf völkische Reinheit: Der Gedanke der Identität wird durch rechtextreme Identitäre missbraucht, denen die FPÖ hier folgt. Zugehörigkeit zu einer einzigen ethnisch (oder teilweise religiös) gedachten Großgruppe wird zur Quelle von Identität erklärt. Daraus werden Überlegenheit und Vorrechte abgeleitet.
10./ Ideologie mit Bereitschaft zu hartem Handeln: Konsequenzen dieses kollektivistischen, völkischen Konzepts von Identität sind Ideen der Remigration, Ausbürgerung von Menschen mit Migrationshintergrund (ein Viertel der Bevölkerung). Der Kreis der Gefährdeten und Mitbetroffenen ist riesig und unscharf.
11./ Ein Klima der Angst wird aufrechterhalten: Die latente Furcht vieler, dank „falscher Identität“ in den Suchscheinwerfer der Säuberung zu geraten, ist eine psychische Gesundheitsgefahr für die Allgemeinheit. Das Klima der Angst wird verstärkt durch Drohungen gegen Gegner („Fahndungslisten“).
12./ Alles, um ein angerichtetes Chaos rückgängig zu machen: Das Chaos der heutigen sozialen und moralischen Ordnung wird vor allem den Sünden der 1968er Bewegung zugeschrieben. Dieses Chaos soll durch Wiederherstellung einer Ordnung im patriarchalen und völkisch-nationalen Sinn beendet werden.
13./ Ordnung in Staat wie in Familie: Der Staat Österreich wird wie eine Familie gesehen. Die Ordnung wird an der Staatsspitze von einer „Familienvaterfigur“ repräsentiert und garantiert. Die versprochene Rettung der Familie ist vielleicht eine kurzfristige Psychotherapie für den seit Jahrzehnten verunsicherten Mann, für Frauen aber trügerisch.
14./ Sicherheit für Anhänger, Unsicherheit für Gegner: Die versprochene „Geborgenheit“ und „Zufriedenheit“ bedeutet zugleich für eine große Zahl von Unbotmäßigen, Migrant:innen und ihren Nachkommen in der Bevölkerung die Androhung von sozialem Ausschluss.
15./ Wir alle haben auch einen bösartigen Anteil in uns, Platz für Gefühle des Neids und der Eifersucht auf Privilegierte oder solche, die wir für bevorzugt halten. Diese Gefühle sind auch für die Wahl mobilisierbar. Das weiß die FPÖ, darauf zählt sie.