Sozialstaat

Die FPÖ ist die Partei der Reichen

Wenn die FPÖ die Hand zur Abstimmung hebt, klingeln die Kassen der Konzerne. In Zeiten der Opposition gibt sich die FPÖ in ihrer Propaganda gerne sozial und arbeiter:innenfreundlich. Doch wenn die Blauen an der Regierung sind, rollen die Angriffe auf den Sozialstaat.

Und auch in der Opposition stimmen die Blauen verlässlich für die Interessen von Superreichen und Konzernen. Vor allem, wenn sie glauben, dass es niemand bemerkt. Das zeigt sich auch im EU-Parlament.

Im August 2023 etwa behauptete FPÖ-Chef Herbert Kickl im ORF-Sommergespräch, er würde einen Mindestlohn von 2000 Euro brutto fordern – immerhin ein Anfang. Glaubwürdiger wäre Kickls Propaganda allerdings, hätte die FPÖ selbst nicht im September 2022 im EU-Parlament ausdrücklich gegen adäquate Mindestlöhne gestimmt. (mehr dazu im Text: FPÖ kürzt und streicht bei den „kleinen Leuten“)

Oder gleiche Löhne für Männer und Frauen. Im Oktober 2023 beklagte sich die FPÖ öffentlichkeitswirksam in einer Aussendung über die "Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen". Das wäre zwar faktisch richtig. Allerdings hat die FPÖ selbst im April 2022 im EU-Parlament gegen ein Gesetz gestimmt, mit dem durch Lohntransparenz das Prinzip der gleichen Bezahlung für gleiche Arbeit gestärkt werden sollte. (mehr dazu im Text: Frauenfeindlich auf allen Linien: Kickl, Orban und die Rechtspopulisten)

Auch wenn es um Arbeitsbedingungen geht, steht die FPÖ verlässlich auf der falschen Seite des Kapitals. So stimmte das EU-Parlament im Februar 2023 über die Verbesserung von Arbeitsbedingungen in der sogenannten Plattformarbeit ab. Dabei geht es vor allem um Menschen, die für Essenszustellungen oder Taxi-Dienste arbeiten. Wer gegen Verbesserungen in dieser absoluten Niedriglohnbranche gestimmt hat? Genau, die FPÖ.

Wer unter dieser Politik leidet, ist offensichtlich: Die arbeitenden Menschen in Österreich und in der gesamten EU. Doch es ist auch klar, wer davon profitiert: Die Eigentümer:innen von Unternehmen und Konzernen – die damit noch weniger von ihren Profiten abgeben müssen.

Das alles sind keine Unfälle und da hat auch niemand bei einer Abstimmung auf den falschen Knopf gedrückt. Genauso tickt die FPÖ. Das haben die Blauen gezeigt, als sie zuletzt in der Regierung waren. Nun könnten manche behaupten, dass das Regierungsprogramm der letzten ÖVP-FPÖ-Koalition zwischen 2017 und 2019 ja von der ÖVP diktiert worden wäre. Die FPÖ wäre nach dieser Erzählung also – quasi gegen ihren Willen – zum Sozialabbau gezwungen worden. Doch auch bei dieser Behauptung gibt es ein faktisches Problem: Denn tatsächlich fordert die FPÖ selbst seit vielen Jahren immer mehr Sozialabbau – und gleichzeitig Geschenke für Superreiche und Konzerne.

Das zeigen die Aussendungen und auch die wichtigsten programmatischen Texte der Partei. Besonders entlarvend sind dabei das ausführliche "Handbuch freiheitlicher Politik" sowie das "Freiheitliche Wirtschaftsprogramm". Im offiziellen Parteiprogramm dagegen stehen zu all diesen Themen ausschließlich einige dünne Phrasen – mit gerade einmal 17 Seiten ist es auch auffallend dünn. Auch das ist sicherlich kein Zufall: So können die konkreten Sozialabbau-Pläne besser von der breiten Öffentlichkeit versteckt werden.

Besonders bezeichnend ist die Politik der FPÖ in den Bereichen, die für große Teile der Bevölkerung von zentraler Bedeutung sind: Die soziale Absicherung, die Situation am Arbeitsplatz, die Mieten und die Pensionen. Dazu kommen die Vermögensteuern – denn Verbesserungen für die Bevölkerung müssen ja auch finanziert werden. Welche Ziele hat die FPÖ in diesen Bereichen nun ganz konkret?

Soziale Absicherung, die Notstandshilfe und die Mindestsicherung

Es war eines der zentralen Projekte von FPÖ und ÖVP in ihrer Koalition zwischen 2017 und 2019: Die komplette Abschaffung der Notstandshilfe für arbeitslose Menschen. Gerade für viele ältere Arbeitslose ohne Aussicht auf einen Job hätte das bedeutet: Sie rutschen in die Mindestsicherung, wo zuerst die eigenen Ersparnisse aufgebraucht werden müssen. Viele Menschen hätten damit vor der Pension ihre gesamten Lebensersparnisse opfern müssen. Frauen wären laut einer Berechnung des Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) besonders betroffen gewesen. Vermutlich hat nur der Ibiza-Skandal, der die Regierung gesprengt hat, die Umsetzung verhindert.

Zufällig kam dieser Angriff auf arbeitslose Menschen nicht. So heißt es bereits im "Handbuch freiheitlicher Politik", dass angebliche "Berufsarbeitlose" eine finanzielle "Unterstützung nicht verdient" hätten. Es solle ausschließlich eine "Grundsicherung in Form von Sachleistungen" geben. Wie die FPÖ "Berufsarbeitslosigkeit" feststellen will, wird nicht weiter ausgeführt. Zur Erinnerung: Beim Arbeitslosengeld und bei der Notstandshilfe handelt es sich um Versicherungsleistungen. Die Menschen müssen also zuvor eingezahlt haben.

Parallel dazu attackierten FPÖ und ÖVP auch die Mindestsicherung für Menschen, die ohnehin schon viel zu wenig Geld zum Leben haben.

In Österreich wäre es angeblich möglich, von 150 Euro im Monat zu leben, falls die Wohnung finanziert wäre. Diese Behauptung stellte die damalige Sozialministerin Beate Hartinger-Klein von der FPÖ im Juli 2018 auf. Zur Einordnung: Zu diesem Zeitpunkt lag die Armutsgefährdungsschwelle für einen Ein-Personenhaushalt laut Statistik Austria bei 1238 Euro. Mit dieser absurden Behauptung wollte die FPÖ-Politikerin die Kürzung der Mindestsicherung für Menschen mit besonders wenig Geld rechtfertigen.

FPÖ und ÖVP versuchten dabei immer wieder, durch Kürzung der Mindestsicherung insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund zu treffen. So sollten Personen mit „schlechten Deutschkenntnissen“ nochmals 300 Euro weniger erhalten. Die Lebensmittelpreise im Supermarkt richten sich allerdings nicht nach Deutschprüfungen. Die Anknüpfung der Kürzung an Deutschkenntnisse diente als Vorwand.

Denn tatsächlich sollten diese Kürzungen sehr viele verschiedene Gruppen treffen: Familien mit mehreren Kindern, Menschen mit einer Behinderung, Menschen ohne Pflichtschulabschluss sowie Menschen, die mit anderen Mindestsicherungs-Bezieher:innen in einer WG wohnen. Erst der Verfassungsgerichtshof hat im Dezember 2019 zumindest die Kürzungen ab dem zweiten Kind sowie für lernschwache Menschen als verfassungswidrig aufgehoben. Im März 2022 hat die Amtskonferenz eine Studie zur ÖVP-FPÖ-Sozialhilfe veröffentlicht. Der Befund der Expert:innen: "Die Folgen für Menschen mit Behinderungen, Wohnen, Frauen in Not, Gesundheit, Kinder und Familien sind massiv. Die Verschlechterungen treffen alle."

Überraschen sollte diese Politik der FPÖ allerdings niemanden. Denn die Partei war bereits bei der Einführung der Mindestsicherung im Juli 2010 "klar" dagegen. Das hielt der damalige FPÖ-Generalsekretär Kickl eigens in einer Aussendung fest.

Für Unternehmen und Konzerne waren und sind all diese Forderungen der FPÖ jedenfalls ein Geschenk: Je weniger soziale Absicherung es gibt, desto eher werden Menschen schlecht bezahlte Jobs und miese Arbeitsbedingungen akzeptieren müssen (mehr dazu im Text: FPÖ kürzt und streicht bei den „kleinen Leuten“).

Arbeitsbedingungen, Löhne und der 12-Stunden-Tag

Wer heute "Löhne hinauf und Vier-Tage-Woche" fordern würde, würde "in einer sozialromantischen Blase des Klassenkampfes gegen Arbeitgeber, Unternehmer und Industrie" leben. Das behauptet zumindest FPÖ-"Sozialsprecherin" Dagmar Belakowitsch im Mai 2024. Ein eindeutig neoliberaler Angriff auf höhere Löhne und weniger Arbeitszeit.

Gleichzeitig fordert Belakowitsch in dieser Aussendung auch eine neuerliche Senkung der Lohnnebenkosten. Doch die Lohnnebenkosten sind im Wesentlichen nichts anderes als die Beiträge der Unternehmen zur Pensions-, Kranken-, Unfall und Arbeitslosenversicherung. Eine Senkung der Lohnnebenkosten ist also ein Geschenk für die Unternehmen – auf Kosten der sozialen Absicherung der arbeitenden Bevölkerung.

Auch die unternehmensfreundliche Position der FPÖ zu den Arbeitszeiten ist nicht neu: In der Regierung hatte die FPÖ gemeinsam mit der ÖVP im September 2018 sogar eine Arbeitszeit von bis zu 12 Stunden am Tag und 60 Stunden in der Woche durchgesetzt. Davor waren es 10 Stunden am Tag und 50 Stunden in der Woche. Angeblich freiwillig. Doch bei Angst vor Jobverlust ist es mit der Freiwilligkeit meist nicht mehr weit her.

In gewerkschaftlich besser organisierten Branchen wurden die Folgen oft durch Kollektivverträge abgefedert. Doch gerade Menschen in Niedriglohnbranchen leiden bis heute unter dem 12-Stunden-Tag. Kontrollen für Unternehmer:innen gibt es übrigens immer weniger: ÖVP und FPÖ haben gleichzeitig das Arbeitsinspektorat personell zusammengekürzt und die Strafen für Betriebe reduziert, die ihre Beschäftigten rechtswidrig behandeln.

Mieten und der Mietpreisdeckel

Die FPÖ und ihr Bautensprecher Philipp Schrangl treten seit vielen Jahren als Lobby-Partei der Vermieter:innen auf. Um das zu verbergen, muss die FPÖ zeitweise allerdings einen bemerkenswerten Slalom hinlegen.

Dass die Mieten immer höher steigen, wissen alle, die verzweifelt nach einer Wohnung suchen. Wo die FPÖ hier steht? Eindeutig auf der Seite der Vermieter:innen. So behauptete FPÖ-Bautensprecher Schrangl bereits 2016 in einer Aussendung, dass Mietzinsbegrenzung, Mietenlimit oder eine Leerstandsabgabe für ihn ein Schwelgen in "kommunistischen Phantasien" wäre.

Nachdem die Mieten durch die hohe Inflation ab 2022 endgültig durch die Decke gingen, legte die Bundesregierung im August 2023 einen Entwurf für eine Mietpreisbremse vor. Die war allerdings nur ein Tropfen auf dem heißen Stein – sie kam zu spät und war zu eng gefasst. Die Reaktion der FPÖ war bemerkenswert: Nun behauptete FPÖ-Chef Kickl bei einer Pressekonferenz auf einmal, dass die Mietpreisbremse den "wohnpolitischen Kurs der FPÖ" bestätigen würde. An seiner Seite: Genau jener FPÖ-Bundessprecher Schrangl, der eine Mietpreisbremse als "kommunistische Phantasie" kritisiert hatte.

Einige Monate später folgte dann die nächste Drehung, erneut um 180 Grad: Im Dezember 2023 erklärte die FPÖ dann per Aussendung, dass sie der Mietpreisbremse nun doch nicht zustimmen wolle. Weil die angeblich zu spät käme. Warum es allerdings besser wäre, wenn es stattdessen überhaupt keine Mietpreisbremse gibt? Dazu kam von der FPÖ kein Wort.

Stattdessen forderte FPÖ-Mann Schrangl nun einen "Mietenstopp" – obwohl der doch in seinen eigenen Worten ebenfalls eine "kommunistische Phantasie" wäre. Die tatsächliche Taktik der FPÖ ist eindeutig: Sie stimmt konsequent für die Interessen der Hausbesitzer:innen. Und will das in der Opposition hinter sozialen Phrasen verstecken (mehr dazu im Text: Die FPÖ und Wohnen).

Pensionen und ältere Menschen

In der breiten Öffentlichkeit ist die FPÖ beim Thema Pensionen extrem vorsichtig. Es könnte ja Wähler:innen verschrecken. Doch im kleineren Kreis wird Klartext gesprochen. So forderte etwa FPÖ-Wirtschaftssprecher Axel Kassegger in einem Beitrag für die extrem rechte Plattform "unzensuriert" bereits ganz offen eine "Anpassung" des Pensionssystems in Hinblick auf das Pensionseintrittsalter. Im ÖVP-FPÖ-Regierungsprogramm von 2017 wurden dann auch entsprechende Maßnahmen angekündigt, etwa die Anhebung des Zugangsalters zur Altersteilzeit.

Die Höhe der Pensionen hatten FPÖ und ÖVP übrigens bereits in ihrer ersten Koalition im Jahr 2003 drastisch reduziert: Davor wurde für die Pensionsberechnung das Durchschnittseinkommen der letzten 15 Jahre herangezogen. Das waren meist auch die bestbezahlten. Doch ÖVP und FPÖ haben das auf 40 Jahre ausgedehnt. Die Folge: Die meisten Menschen, die jetzt in Pension gehen, haben deutlich niedrigere Pensionen.

Millionärssteuern

Sobald es um die Verteidigung der Superreichen geht, ist die FPÖ ganz vorne mit dabei. So behauptet etwa FPÖ-Chef Kickl im September 2023, dass Vermögens- und Erbschaftssteuern mit einem "scharf marxistischen Belastungswahnsinn" gleichzusetzen wären. Angeblich wäre das ein "Anschlag auf die Familien, Unternehmen und alle Leistungsträger", so Kickl.

Das Thema beschäftigt die FPÖ bereits seit Jahren. Im Wahlkampf 2017 war es der Partei sogar so wichtig, dass sie eigens ein Plakat produzierte, wonach eine Erbschaftssteuer angeblich "unfair" sei.

Tatsächlich aber geht es hier um Modelle mit enorm hohen Freibeträgen. Das bedeutet: Solche Steuern würden tatsächlich nur Superreiche und Millionär:innen treffen. Das weiß die FPÖ auch selbst sehr gut, wie ein Interview mit dem damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Juli 2017 auf Puls4 zeigte. Die Moderatorin fragte ihn damals, ob er auch gegen Erbschaftssteuern bei Beiträgen von beispielsweise fünf Millionen Euro wäre. Straches Antwort: Auch in diesem Fall wäre die FPÖ dagegen. Damit verzichtet die FPÖ bewusst auf viel Geld, mit dem Verbesserungen für die Bevölkerung durchgesetzt werden könnten.

Wo die Blauen dagegen großzügig sind: Bei den Unternehmenssteuern. Die sollen extrem reduziert werden, wenn es nach den Wirtschaftsprogrammen der FPÖ geht. Doch auch hier wird gern versucht, die entsprechenden Maßnahmen zu verstecken. So hat die FPÖ gemeinsam mit der ÖVP im Frühjahr 2019 eine deutliche Reduzierung der Körperschaftsteuer für Unternehmen umgesetzt. Doch in ihrer Aussendung behauptete die FPÖ im Titel eine Steuersenkung "für Arbeiter und Pensionisten".

Gerade die Vermögensteuern sind damit ein Paradebeispiel für die Politik der FPÖ: In Zeiten der Opposition wird die Verteidigung der Superreichen gerne hinter sozialen Phrasen versteckt. Und wenn die FPÖ an der Regierung ist, dann wird Politik für die Unternehmen gemacht.

Die FPÖ verwendet seit Jahren den Wahlslogan "Soziale Heimatpartei". Die Fakten sprechen allerdings eine andere Sprache. Doch es gibt eine bemerkenswerte Ausnahme: Die FPÖ in Oberösterreich hat das Wort "sozial" ganz offiziell gestrichen. Das ist wenigstens ehrlich: Denn tatsächlich ist und bleibt die FPÖ die Partei der Reichen.