Sozialstaat

Die Gleichstellung queerer Menschen ist der FPÖ ein Dorn im Auge

Dominic Stüttler

Schon in der Vergangenheit hat die FPÖ kein Hehl daraus gemacht, was sie von LGBTQIA+-Personen* hält. Nachdem der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) 2017 die diskriminierende Regelung einer nicht möglichen Eheschließung zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Menschen gekippt hatte, lief die damalige ÖVP-FPÖ Regierung gegen diese Entscheidung Sturm. Der Versuch der schwarz-blauen Regierung, die exklusive Ehe zwischen Mann und Frau mit einer Zweidrittelmehrheit in der Verfassung zu verankern, scheiterte. Sie musste sich der Erkenntnis des VfGH geschlagen geben, und zum 01.01.2019 war die Ehe für alle tatsächlich allen Österreicher:innen möglich.

Das hinderte den damaligen Innenminister Herbert Kickl jedoch nicht daran, im selben Jahr mehrere diskriminierende Weisungen zu erteilen. Eine davon besagte, dass die Ehe für alle nicht mit Bürger:innen aus Staaten geschlossen werden kann, in denen es keine Ehe für alle gibt. Diese Weisung wurde unter der Bundesregierung Bierlein im freien Spiel der Kräfte von allen parlamentarischen Parteien (außer der FPÖ) in einem entsprechenden Gesetz korrigiert. Seit Sommer 2019 ist die Ehe für alle nun auch allen binationalen Paaren möglich.

Darüber hinaus blockierte der damalige Innenminister den Eintrag des dritten Geschlechts. Das Pikante dabei: Er wies ein Standesamt in Oberösterreich an, die Eintragung „inter“ zu verweigern, mit der Begründung, das Ministerium habe nicht die nötige Software dafür. Diese Weisung wurde später von einem Landesverwaltungsgericht in Oberösterreich als rechtswidrig bezeichnet, weil Kickl rechtskräftige Höchstgerichtsurteile ignoriert hatte. [1]

Kurz vor der Nationalratswahl 2019 brachte der damalige FPÖ-Chef Norbert Hofer im Nationalrat einen Antrag ein, die Ehe für alle wieder abzuschaffen. Der jetzige Parteivorsitzende, Herbert Kickl, verfolgte eine ähnliche Linie. Er bezeichnete die Ehe-Öffnung als „Angriff auf die Institution Ehe“ und als ersten Schritt für eine Vielehe. Auch für andere sexuelle Minderheiten hat Kickl wenig übrig. Die Beleuchtung des Parlaments in Regenbogenfarben im Zuge der letztjährigen Pride-Week bezeichnete er als „Missbrauch“ des Nationalratspräsidenten und eine „Propagandaaktion“, die eingestellt werden müsse.

Zuletzt machte Kickl auf Facebook Schlagzeilen. Er verbreitete ein Video seines Parteikollegen Steiner, der sich darüber aufregte, dass das Gesundheitsministerium Flyer verteilt, die Safer Sex bei queeren Beziehungen bewerben. Steiner bezeichnete dies als „völlig irre“. [2] Auch für Parteichef Kickl ist die Gleichstellung von queeren Menschen nur der Übergang zu einer „moralischen und intellektuellen Verwahrlosung“. In seiner einfachen Welt besteht eine Familie nur aus Mann und Frau und (hoffentlich) Kindern.

Der freiheitliche oberösterreichische Landeshauptmannstellvertreter Manfred Haimbuchner unterstellte den Personen der LGBTQIA+-Bewegung pauschal Faulheit. Für ihn könne ein Mensch, der „in der Früh eine Stunde lang überlegen muss, als welches Geschlecht er aufsteht, nichts leisten. Der kommt zu keiner Arbeit“, so Haimbuchner verächtlich in einer Rede im vergangenen Mai.

Der Wiener Parteichef Dominik Nepp schlägt in dieselbe Kerbe. Er argumentiert, es gäbe „nur die biologischen Geschlechter Mann und Frau und sonst nichts“, dies sei „wissenschaftlicher Konsens“. Man müsse zudem „jegliche Indoktrinierung von Kindern fernhalten“. Fakt ist jedoch, dass die Wissenschaft mehrere biologische Geschlechter (sex) kennt. Neben dem weiblichen und männlichen Geschlecht gibt es auch intersexuelle Personen, die nicht klar in diese Kategorien passen. Darüber hinaus ist erwiesen, dass es ein soziales Geschlecht (gender) gibt, das viele Abweichungen abseits der hier üblichen Binarität zulässt. So gibt es beispielsweise auf der indonesischen Insel Sulawesi fünf anerkannte Geschlechter. [3] Auch das Judentum kennt sechs bzw. sieben Geschlechter. [4]

Was meint Dominik Nepp mit seiner Aussage, dass man „jegliche Indoktrinierung von Kindern fernhalten“ müsse? Ein Blick nach Ungarn und zu Viktor Orbáns LGBTQIA+-Politik gibt Aufschluss. Orbán ist das große Vorbild von Herbert Kickl. Unter Orbáns autoritärer Herrschaft wurden neben der Zerschlagung der liberalen Demokratie auch die tolerante Minderheitenpolitik zu Grabe getragen. Neben einem Verbot von Genderstudies folgte im Jahr 2020 ein Gesetz, dass den Ausschluss von Geschlechteränderung zum Ziel hatte. Die bis dato anerkannte gleichgeschlechtliche Partnerschaft wurde in Ungarn unter Orbán abgeschafft. Auch das Recht auf Adoption für homosexuelle Menschen wurde beseitigt. Das “Kinderschutzgesetz“ stellte die Darstellung von Homosexualität gegenüber Minderjährigen unter Strafe. Dies betrifft Aufklärungskampagnen für Schüler:innen oder die Darstellung von Homosexualität in der Werbung oder in Kinderbüchern und -filmen. Dies hat zur Folge, dass queer-freundliche Comics oder Bücher foliert in den Buchhandlungen verkauft werden müssen. Wer dies nicht einhält, riskiert hohe Geldstrafen. Eine weitere Folge ist, dass Kunstschaffende in ihrer Kreativität eingeschränkt werden, wenn sie nicht im Sinne der Orbán-Regierung schreiben, weil sie sonst mit Umsatzeinbußen rechnen müssen.

Abbildung 1: Folierte Kinderbücher mit queerem Inhalt in Ungarns Buchhandlungen [5]

Ist das eine LGBTQIA+-Politik, die wir hier in Österreich haben wollen? Die LGBTQIA+-Rechte wurden über Jahrzehnte hart erkämpft. Die Pride gibt es in Wien erst seit 1996 - das ist noch keine lange Zeit. Wollen wir, dass diese Errungenschaften unter einem “Volkskanzler“-Kickl innerhalb kürzester Zeit wieder abgeschafft werden? Es könnte Jahrzehnte dauern, diese wiederherzustellen. Wollen wir in eine Zeit zurückkehren, in der in Österreich nicht ALLEN sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten gleichermaßen Respekt gezollt wurde? NEIN! Deshalb kämpfen wir gemeinsam dafür, dass die FPÖ nicht wieder in Regierungsverantwortung kommt und auf keinen Fall den Kanzler stellen kann!

 

* LGBTQIA+ ist eine Abkürzung der englischen Wörter für  lesbische (lesbian), schwule (gay), bisexuelle (bisexual), transsexuelle/transgender (transsexual/ -gender), queere (queer), intersexuelle (intersexual) und asexuelle (asexual) Menschen. Das "+"-Zeichen steht stellvertretend für die unzähligen weiteren Sexualitäten und lässt so den inklusiven Raum für diese ohne eine eigene "Schublade" definieren zu müssen.

[1]  Weitere Infos in der Zeitschrift JUS AMANDA: https://www.rklambda.at/images/Jus_Amandi_2020-01_WEB.pdf

[2] Das queer-feindliche Video des FPÖ-Mandatars Christoph Steiner auf der Facebook-Seite von Herbert Kickl: https://www.facebook.com/reel/1146949076566901

[3] Die Volksgruppe „Bugis“ kennt fünf Geschlechter: https://www.bbc.com/travel/article/20210411-asias-isle-of-five-separate-genders

[4] LBGITQ+ im Judentum: https://www.jmberlin.de/thema-lgbtiq

[5]  Weitere Infos in der Tageszeitung Der Standard: https://www.derstandard.at/story/3000000179204/ungarns-anti-lgbtiq-strafen-werden-haerter-und-chaotischer