Die Medienmisere in Österreich: Eine FPÖVP-Regierung würde sie katastrophal verschlimmern
Armin Thurnher
Es sagt sich leicht: Demokratie ist ohne Medien nicht möglich. Medien sind die erweiterte Agora, in der die Bevölkerung sich ihr Urteil bildet, das es dann an der Wahlurne spricht. Von der Neutralität des Marktplatzes, die allen dort Sprechenden gleiches Ansehen und gleiche Macht verleiht, haben wir uns weit entfernt. Aber diese Neutralität war ohnehin immer nur eine Art Fiktion, auf deren Annahme das demokratische Spiel angewiesen ist.
Österreich hat ein Problem mit seinen Medien. Das kann man aus der schwachen bürgerlichen Tradition herleiten, ohne die sich bürgerliche, aufgeklärte Öffentlichkeit schwer entwickelt. Man kann unser Problem auch zusammendenken mit der gelenkten Nachkriegsdemokratie, die in Österreich noch etwas besser gelenkt und durch das Regime der Proporzparteien rigider gelenkt war als anderswo. Die beiden Staatsparteien übernahmen gleichsam das Erbe des aufgeklärten Absolutismus, aber als ihre Macht schwand, setzte sich nicht das Bürgertum durch, sondern eine Art Hausmeister-Ressentiment-Öffentlichkeit, die es immer und überall „denen da oben“ zurückzahlen will. Natürlich zugunsten der „neuen da oben“, aber was weiß das Publikum schon von solchen Mechanismen.
Also war es die Kronen Zeitung, die solche Ressentiments zum Wohle ihrer Eigentümer schürte. Und sie war es auch, die den Aufstieg der neofaschistischen Rechten befeuerte. Zuerst – in Gestalt von Jörg Haider – um die Regierung ordentlich unter Druck zu halten; später – in einer neuen Eigentümergeneration und mit nachlassender Macht der Printmedien – auch, um drohende unangenehme Gesetze zu verhindern, etwa eine Vermögenssteuer, wie sie vor allem die SPÖ verspricht.
Dagegen verließ sich die Regierung auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Als es noch bürgerliche Chefredakteure gab, die eigenen Willen und politisches Bewusstsein besaßen, riefen sie ein Volksbegehren in die Welt, um den ORF vor dem Parteienmissbrauch zu retten. Dieses Volksbegehren hatte Erfolg und führte zu einem neuen ORF, der unter Gerd Bacher mit dem Karl-Schranz-Empfang sogleich so viel Macht demonstrierte, dass ihn Kanzler Bruno Kreisky erst recht wieder politisch zu kontrollieren trachtete.
Dennoch verließ die Politik sich darauf, dass der ORF zumindest in ihrem Einflussbereich stand und ein Gegengewicht zum räudigen, rechtslastigen Boulevard darstellen würde. Aus diesem Grund verzögerte man die Legalisierung von privatbetriebenem Radio und TV, solange es ging.
Eine Medienpolitik mit der Perspektive, den Markt zu ordnen, mit dem Gedanken, für die Demokratie entscheidende Qualitätsmedien zu fördern, unterblieb aus diesen Gründen. Man schwankte zwischen Erpressung und Almosen. Die ÖVP konnte sich im Wesentlichen der Sympathien der Medieneigentümer sicher sein; die SPÖ versuchte, deren Sympathie mit Schutzgeldzahlung in Form von Inseraten zu gewinnen, was sich – wie jetzt zu sehen – als wenig nachhaltig erwies.
Inzwischen hat die Digitalisierung die Mediendinge auf den Kopf gestellt und das Geschäftsmodell der alten Medien erledigt, die sich vor allem durch Werbung finanzierten. Die Werbung fließt nun auch in Österreich mehrheitlich zu den (meist) US-Tech-Konzernen, die ihrerseits an Demokratie kein Interesse haben. Mit Social Media können sie die traditionellen, ansatzweise demokratischen Verfahrensweisen von Recherche, Faktenüberprüfung, Persönlichkeitsschutz, Transparenz und Verantwortung nicht nur umgehen, sondern sie geradezu verhöhnen.
Die von Milliardären finanzierte US-amerikanische Alt-Right hat ein Kommunikationsmodell von Desinformation, Aggression und Verleumdung in die Welt gesetzt, Donald Trump ist ihr Wahr(!)zeichen. Weder seine Wahl noch der Brexit wären ohne diese neue, durch und durch lügenhafte Welt der Manipulation und Desinformation möglich gewesen.
In Österreich adaptierte die ÖVP lautstark diese Methoden. Ihr Kommunikationschef Gerald Fleischmann betreibt „message control“ getreu dem Motto „flood the zone with shit“ (Trump-Berater Steve Bannon). Inzwischen hat still und leise die FPÖ ein Alt-Right Medienbiotop geschaffen, das von Lügenwebsites zu Verleumder-TV reicht, geschickt und skrupellos mit Social Media spielt und mittlerweile auch der AfD als Muster dient.
Noch sind Medien wie vor allem öffentlich-rechtliches Fernsehen und Radio hier im Weg. Konsequenterweise hatten Sebastian Kurz und Heinz Christina Strache in ihrer Koalitionsvereinbarung zur ersten Schwarz-Blauen Regierung eine radikale Entmachtung und Teilprivatisierung des ORF festgeschrieben.
In allen antidemokratischen rechten Regierungen ist es das Ziel der Machthaber, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu zerstören. Silvio Berlusconi machte es vor, die PiS in Polen und Viktor Orbán in Ungarn machten es nach; auch die spanischen und griechischen Konservativen reduzierten den öffentlich-rechtlichen Sender zur Bedeutungslosigkeit oder schafften ihn ganz ab.
In ihren Ankündigungen machen die Männer um Herbert Kickl kein Hehl daraus, dass es genau das ist, was sie vorhaben. Die Rede von „Zwangsgebühren“, von der „ersatzlosen Abschaffung von ORF1“ und zynische Aktionen wie die Einsetzung des ehemaligen FPÖ-Generalsekretärs Peter Westenthaler als Stiftungsrat (er tut sich sonst als Diskutant beim übelsten Medium der Nation hervor, bei oe24tv) machen klar: die FPÖ plant die Zerstörung des ORF.
Schon allein die Abschaffung der „Haushaltsabgabe“ und damit einer eigenständigen Finanzierungsbasis des ORF und ihre Ersetzung durch eine staatliche Finanzierung kombiniert mit befristeten „Leistungsvereinbarungen“ würde den ORF unter die Kontrolle der Regierung bringen, insbesondere der stärksten Koalitionspartei des „Staatskanzlers“.
Das würde naturgemäß die Entfernung politisch unangenehmer Präsentator:innen und Moderator:innen bedeuten; ganz gewiss das Ende der politischen Journale und insgesamt von Ö1 sowie den weiteren Rückbau der Blauen Seiten. Servus-TV ist das Muster, das sie loben. Sie rühmen heimatfreundliche Filme und meinen Desinformation wie zur Zeit der Pandemie.
Ob die FPÖ den Weg der Medienkorruption ungebremst weitergehen wird, lässt sich nicht sagen. Sie wird darauf angewiesen sein, sich die Gunst einiger starker Blätter zu sichern. Sie könnte das durchaus auf dem von Heinz Christian Strache auf Ibiza großsprecherisch angekündigten Weg tun: Anteile an einzelnen Medien auf Staatskosten kaufen. Viktor Orbán wählte das Modell, Zeitungen unter Druck von Freunden aufkaufen zu lassen. Alles möglich, nix ist fix.
Nur eines ist fix: an die einzig mögliche Medienpolitik eines modernen demokratischen Staates denkt in Österreich niemand. Wie die aussähe?
Ganz einfach:
- Ent-Parteipolitisierung und finanzielle Stärkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
- Streichung der schutzgelderpresserischen Medienkorruption durch Inserate.
- Entschlossene, transparente Förderung von Qualitätsmedien jeder Art (audiovisuell, digital, gedruckt, wie auch immer)
- Auf europäischer Ebene das Mitgestalten einer Initiative für ein europäisches Soziales Medium, das diesem Wort genügt (transparente Algorithmen, Anerkennung des Rechtsstaats). So etwas sollte mit privatem und öffentlichem Kapital funktioniere, etwa analog einem Unternehmen wie Airbus.
Hätte es solche Maßnahmen längst gegeben, müssten wir nicht über den drohenden neuen Faschismus reden.
Niemals vergessen: der alte Faschismus wurde durch die Propagandamacht einer privaten rechten Presse befördert und stabilisierte sich mit Hilfe eines missbrauchten neuen Mediums, des Radios.
Demokratische Medien sind möglich!