Bedrohung des Rechtsstaates in Österreich

Eine blau-schwarze Parlamentsmehrheit: Gefahr für den Rechtsstaat in Österreich

Eine FPÖ/ÖVP-Regierung stellt eine massive Bedrohung aller drei Staatsgewalten und ihrer Unabhängigkeit dar: Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Verwaltung lassen sich auch mit einfacher Parlamentsmehrheit massiv beschädigen. Staatliche Macht würde dadurch zunehmend in der Hand der stärksten Partei und ihrer Führung konzentriert. So würde aus einer liberalen eine “illiberale” Demokratie, also ein zunehmend autoritäres Staatswesen.

Wie könnte eine solche „Orbanisierung“ der Republik Österreich aussehen? Sie würde sowohl beim Parlament ansetzen als auch bei der Justiz und der Verwaltung.

Parlament

Die Macht des/der Präsident:in des Nationalrats ist enorm, gleichzeitig ist dies weitgehend unbekannt - sie beinhaltet:

  • Leitung der Parlamentsdirektion
  • Auswahl ihres Personals
  • Zuweisung des Personals an die Parlamentsklubs der Parteien
  • Erlassung von Verordnungen über den Betrieb des Parlaments
  • Vorsitz im Gremium der drei drei Nationalratspräsidenten, das die Aufgaben des Bundespräsidenten übernimmt, wenn dieser länger verhindert ist.

 Wird diese Macht missbraucht, gibt es keine Rechtsmittel gegen Beschlüsse, die von dem/der Nationalratspräsident:in getroffen werden und damit keinerlei Kontrolle. Daraus folgt: Stellt eine Partei den/die Präsident:in des Nationalrats, die Österreich in eine illiberale Demokratie umwandeln möchte wie die “bereits “orbanisierte” FPÖ, so könnte sie diese Position dafür einsetzen, das Funktionieren unserer Demokratie zu sabotieren.

Justiz 

Diese lässt sich leicht lahmlegen, sogar ohne Gesetzesänderungen: So könnte der/die Justizminister:in die Staatsanwaltschaften mit Aufträgen “zudecken” wie wöchentliche Berichterstattungen, aufwändige Zeugeneinvernahmen, Rechtshilfeersuchen an das Ausland, etc.. Die Verfahren werden so für Jahre verzögert und die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte demotiviert - ganz ohne eine Weisung zur Verfahrenseinstellung.

Längerfristig kann eine Regierung die Kontrolle über die Justiz am einfachsten durch die Personalpolitik ausweiten, indem sie Richter vorzeitig mit “golden handshakes” in Pension schickt - wie Viktor Orban in Ungarn. Schon jetzt hat der/die Justizminister:in in Österreich mehr Einflussmöglichkeiten als in anderen EU-Ländern, insbesondere auf die Staatsanwaltschaft. Denn das Ministerium ist weisungsberechtigt und gleichzeitig für die Personalauswahl zuständig.

Im demokratischen Rechtsstaat muss die Staatsanwaltschaft bei hinreichendem Verdacht von Gesetzwidrigkeiten ermitteln und anklagen. Darüber entscheiden dann unabhängige Gerichte. Dieses System wäre durch eine blau-schwarze Regierung gefährdet: Sie könnte notwendige Ermittlungen trotz Aussicht auf Verurteilung unterbinden („Daschlagts es!“ meinte einst Sektionschef Pilnacek).  

Verwaltung

Die (Partei)Politik kann ihren Einfluss auf die Verwaltung in erster Linie auf zwei Wegen ausweiten. Erstens, durch Erlässe der Behördenspitzen wie Minister und, zweitens, durch die Personalentscheidungen in den jeweiligen Ministerien und den staatsnahen Betrieben.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass weder ÖVP noch FPÖ Skrupel zeigen, wenn es um die Besetzung von Verwaltungsämtern, Aufsichtsrats- und Vorstandsposten geht. Sind derartige Positionen einmal besetzt, wandelt sich  rasch auch die „Kultur“ einer Behörde – mit fast unabsehbaren Konsequenzen für die späteren Jahre.  

Fazit

Der deklarierte Wille von Kickl und seiner FPÖ, “das System” einer liberalen und rechtsstaatlichen Demokratie nach dem Vorbild von Viktor Orban zu überwinden, also die Staatsmacht in einem neuen, autoritären System bei der stärksten Partei zu konzentrieren, bedroht die Unabhängigkeit und Effizienz der drei Staatsgewalten Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Verwaltung. Um eine konkrete Vorstellung dieser Bedrohung zu bekommen, ist ein Worst-Case-Denken klug und notwendig.