Transformation zur Klimaneutralität
Karl Steininger
Herausforderungen und Chancen für die Arbeitswelt
Was bedeutet die notwendige Transformation hin zur Klimaneutralität für die Arbeitswelt, für Beschäftigung und Beschäftigte, für Qualifizierung und die Entwicklung von Berufsfeldern? Das erörtert der Wirtschaftswissenschafter Karl Steininger, Professor am „Wegener Center für Klima und Globalen Wandel“ der Universität Graz. Das Wegener-Institut ist interdisziplinär organisiert und international ausgerichtet, es ist verortet an der Umwelt-, Regional- und Bildungswissenschaftlichen Fakultät der Uni Graz, mit Partnerinstituten auch an der Naturwissenschaftlichen, der Sozial- und Wirtschaftswissen- schaftlichen und der Geisteswissenschaftlichen Fakultät.
Mit Blick auf die im letzten Jahr weltweit besonders dramatisch erfahrenen Klimafolgen eröffnete UN-Generalsekretär Antonio Guterres die Vertragsstaatenkonferenz zur Klimarahmenkonvention Ende 2023 mit einer drastischen Lagebeurteilung: „Wir erleben den Klimakollaps in Echtzeit. Die Klimarekorde wurden im Jahr 2023 gebrochen und hinterließen eine Spur der Verwüstung und Verzweiflung“. Die Menschheit wird sich damit jedenfalls – wenn auch nicht früh genug – die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft zueigen machen. Wir können dabei auch andere Fehlentwicklungen (etwa in Österreich Feinstaubbelastung, lange Wege durch Zersiedelung, hohe Mobilitätskosten) korrigieren und die Chance zur aktiven Gestaltung eines Übergangs zu einem „guten Leben für alle“ nutzen. Zugleich werden wir uns an geänderte Klimabedingungen anpassen müssen. Was heißt diese Transformation für die Arbeitswelt?
Zugang zu neuen Qualifikationen gewährleisten, neue Berufsbilder gestalten
Klimaneutralität heißt zuallererst Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger. Dies bedarf vielfach ganz neuer Fertigkeiten. Bei Installateur:innen sind heute schon die Fachleute für Wärmepumpen, Solarthermie und Photovoltaik gefragt. Für Personenkraftfahrzeuge erweitern Kfz-Mechaniker:innen ihre Kompetenzen auf alternative Antriebstechniken, während der Bedarf nach der arbeitsintensiveren Wartung von Verbrennungskraftmotoren ausläuft. Im öffentlichen Verkehr wird die Nachfrage nach Arbeitskräften weiter steigen, ebenso wie in neuen Arbeitsfeldern, etwa in der „sharing economy“ (z.B. in Carsha- ring Unternehmen).
„Um den Strukturwandel zu bewältigen und damit Arbeitnehmer:innen in klimafreundlicher Erwerbsarbeit tätig sein können, müssen sie Zugang zu den erforderlichen Qualifikationen erhalten“, nennt der jüngste Sachstandsbericht „Struk- turen für ein klimafreundliches Leben“ des Austrian Panel on Climate Change (APCC) eine zentrale Herausforderung. Der Fachkräftemangel ist in diesen Bereichen derzeit noch besonders hoch, es gilt, die bestehenden Aus- und Weiterbildungen mit Fokus auf nachhaltigere Tätigkeiten weiterzuentwickeln aber auch neue Berufsbilder zu gestalten. In Österreich legte z.B. das Klimaministerium 2022 für die zentraLen Bereichen der Energiewende einen Aktionsplan zur Aus- und Weiterbildung vor. Im Umschulungsbereich des Arbeitsmarktservice gibt es hier schon viele Angebote, in der Umgestaltung der Grundausbildung jedoch beständig noch viel zu tun.
Wird die Transformation die Gesamtbeschäftigung verändern?
Im Hinblick auf die Nettowirkung eines „grünen Strukturwandels“ auf das Beschäftigungsvolumen fasst der zuvor genannte Bericht die bis 2022 verfügbaren Studien so zusammen: „Für Österreich bzw. die EU werden die quantitativen Beschäftigungseffekte bis 2030 als weitgehend neutral bis positiv (bis zu plus 2 Prozent) prognostiziert.“ Die danach verfügbar gewordenen Studien zeigen für Österreich sogar noch stärker in diese Richtung der Beschäftigungserhöhung. Grund ist die Bedeutung der Energienachfragesenkung im Gesamtsystem, damit die Deckung des Bedarfs - und zwar zumindest überwiegend aus dem Inland - aus erneuerbaren Energiequellen möglich ist. Und dafür wiederum wird Kreislaufwirtschaft zu einem Kernkonzept. Für eine längere Produktlebensdauer und Kreislauffähigkeit werden meist mehr Beschäftigte benötigt, etwa entstehen im Reparatur-Bereich zahlreiche neue Arbeitsplätze – und es wächst gleichzeitig das Bewusst- sein, sorgsam mit den nun wertvolle- ren und langlebigeren Konsumgütern umzugehen.
Notwendige Anreize und Rahmenbedingungen
Damit die Transformation ausgelöst wird, bedarf es geeigneter Anreize und neuer Rahmenbedingungen, viele davon wirken auch direkt in die Arbeitswelt hinein. Für den Arbeitsweg ist die heutige Form der Pendlerpauschale ein fossiles Überbleibsel und höchst kontraproduktiv, weil darin der Pkw gegenüber allen anderen Verkehrsmitteln bevorzugt wird. Es braucht die ökologische und soziale Umgestaltung: z.B. dass der Pkw-Weg nur mehr bis zum ersten Knotenpunkt des Öffentlichen Verkehrs berücksichtigt wird, für den verbleibenden Weg dann das Klimaticket. Das Pendlerpauschale ist derzeit zudem als Steuerfreibetrag gestaltet, es vermindert somit die Lohnsteuerbemessungsgrundlage, das Ausmaß der Steuerminderung steigt also mit dem Einkommen. Eine Umgestaltung in einen Absatzbetrag würde für alle Arbeitnehmer:innen einkommensunabhängig äquivalente Steuerminderung gewährleisten, idealerweise auch ident für alle Verkehrsmittel.
Soziale Ausgestaltung der Transformation
Die soziale Ausgestaltung ist in der Klimapolitik insgesamt von zentraler Bedeutung. Haushalte mit niedrigerem Einkommen wenden einen größeren Anteil ihrer Ausgaben für heute fossil-intensive Produkte auf, etwa für Heizung und Autoverkehr. Wird fossile Energie besteuert, wie in Österreich seit 1. Oktober 2022 mit dem nationalen CO2-Preis, so trifft das diese Haushalte relativ stärker. Da jedoch deren absolute fossilen Ausgaben dennoch wesentlich geringer als jene der Gutverdiener sind, lässt sich mit dem pro Person ausgezahlten Klimabonus nicht nur gegensteuern, sondern sogar überkompensieren. Geringverdiener erhalten dadurch einen Betrag als Klimabonus ausgezahlt, der höher ist als ihre Ausgabensteigerung.
Die Verschiebung des Klimafensters (in der Südoststeiermark z.B. sind die Temperaturen im Sommer seit den 70er Jahren um mehr als drei Grad gestiegen), vor allem aber die viel stärkeren und häufigeren Extreme verändern die Arbeitsbedingungen und -produktivität, insbesondere für Tätigkeiten im Freien. Dies ist bei Hitze umso stärker belastend, je höher die körperliche Arbeitsintensität ist. Anpassung kann in einer Verschiebung der Arbeitszeit bestehen, z.B. mit langen Mittagspausen wie die Siestas, die wir aus südlichen Ländern kennen, oder auch in saisonaler Verlagerung.
Gelingen wird beides – die Umorientierung auf klimafreundliche Tätigkeiten wie deren klimaangepasste Durchführung – nachweislich dann viel besser, wenn die Arbeitnehmer:innen in die Gestaltung partizipativ eingebunden sind: ihre Ideen, Vorschläge, Erfahrungen, Beobachtungen und Motivation sind unerlässlich für die Transformation – hin zu einem guten Leben für alle.
Ersterscheinung des Artikels in ZeitZeichen (Nummer 2), dem Magazin der Katholischen Arbeitnehmer:innen Bewegung in Österreich.
Die FPÖ gegen Klima- und Umweltschutz
Dieser Artikel verdeutlicht den breiten und wachsenden Konsens der Klima- und Sozialwissenschaftler:innen:
- Die Klimakrise ist menschengemacht.
- Sie muss energisch und "mit langem Atem" bekämpft werden, damit die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit nicht zerstört werden.
- Diese Bekämpfung, insbesondere die Reduktion von Treibhausgasen, erfordert gravierende Änderungen in der Produktion, im Konsum und damit in den Lebensgewohnheiten.
- Diese Änderungen sind nicht in erster Linie ein Verzicht auf Wohlstand, sondern ermöglichen einen anderen, nachhaltigen Wohlstand - eingebettet in die natürliche Umwelt.
- Gleichzeitig schaffen sie neue und in den meisten Fälle bessere, weil höher qualifizierte Arbeitsplätze.
Rechtspopulisten leugnen diese Einsichten, polemisieren gegen Klimapolitik und hetzen gegen Klimaschützer. Das beste Beispiel dafür sind Aussagen von Herbert Kickl:
„Das ganze Klima ist ein Wandel ... Wo ich meine Zweifel habe ist, dass dieses Modell, das man auf allen Kanälen wie ein Mantra propagiert, dass nämlich die einzige Ursache, was auch der Weltklimarat sagt, das menschengemachte CO2 ist."
Daher kämpft seine FPÖ gegen die Abkehr von Öl- und Gasheizungen, gegen Tempolimits und gegen ein Aus für Verbrennermotoren. Die Teuerung bei Energie sei „politisch gemacht, ... durch die brutale grüne Ökowende".
Konsequenterweise stimmen die FPÖ-Abgeordneten im Parlament gegen Erneuerbare-Wärme-Gesetz, Klimabonusgesetz, Bundes-Energieeffizienzgesetz oder Umweltförderungsgesetz.
Der Weltklimarat sei die „Glaubenskongregation der ganzen Klimadebatte", sie würde „das unwahrscheinlichste Worst-Case-Szenario auswählen".
Der „Klima-Alarmismus" führe zur „Klimadiktatur" und schließlich zu einem „Klima-Kommunismus" als einer „Geisteskrankheit".
„Die Ideen der Klima-Fanatiker werden immer irrer."
Kickl legt dem Parlament daher einen Entschließungsantrag über eine „Vetovolksabstimmung gegen Klima-Bevormundung" vor.
Die Quellen sowie mehr Zitate sind hier zu finden.